Die Qual der Wahl

Angestelltendasein vs. Selbstständigkeit unter der Lupe
Irgendwann im Leben steht jeder einmal vor der Entscheidung: Welchen Beruf soll und kann ich ergreifen? Auf diese Frage gibt es heutzutage jedoch fast unendlich viele Möglichkeiten. Internationalisierung, Globalisierung und mehr Berufsfelder durch neue Technologien und gesellschaftliche Entwicklungen, die vielleicht vor einiger Zeit noch undenkbar waren, tragen zur großen Auswahl bei.

Möglichkeiten der Berufswahl – einmal Job, immer Job?
Wichtig ist zu wissen, worauf man sich einlässt. Jeder Job stellt unterschiedliche Anforderungen und diese sollten zur eigenen Persönlichkeit passen. Deshalb lassen sich schwer generelle Aussagen treffen und Ratschläge erteilen, wer besser in einem großen Unternehmen aufgehoben und für wen die Selbstständigkeit der richtige Schritt ist. Um jedoch einen besseren Eindruck von den Anforderungen an und Möglichkeiten als Angestellter sowie von Chancen und Risiken des Unternehmertums zu bekommen, ist es am besten, Personen zu interviewen, die beide Seiten kennen. Hierfür haben wir Andreas Zimmer* befragt, der schon während des Studiums als selbstständiger Finanzberater unterwegs war und nun parallel seinen MBA macht und bei der Telekom arbeitet. Außerdem kommen drei Unternehmer zu Wort, die den Schritt in die Selbstständigkeit bereits gewagt haben und einige Erfahrungen weitergeben wollen. Die vollständigen Interviews und Links zu den Unternehmen werden in den nächsten Wochen online gestellt.

Konzerne und ihre Mitarbeiter: starre Strukturen oder Wandlungsfähigkeit?
Früher galt karrieretechnisch als angekommen, wer bei einem der großen Konzerne einen Job ergattern konnte und ihn bis zur Rente gemacht hat. Die Erwerbsbiografien heute sehen mitunter aber ganz anders aus: es gibt Quereinsteiger eines jeden Alters, die, die trotz eines guten Jobs im mittleren Alter das Wagnis eingehen und sich mit dem Schritt in die Selbstständigkeit einen lang gehegten Traum erfüllen oder die, die gescheitert sind und dann in einem großen Unternehmen ihre Erfüllung finden. Kurz: Alles ist möglich. Gleichzeitig bedeutet das einen härteren Kampf um qualifizierte Fachkräfte, aber auch um Generalisten mit sozialen Kompetenzen. Dass große Unter-nehmen ihre Attraktivität ausbauen, neue Mitarbeiter locken und die fähigen Mitarbeiter halten wollen und deswegen mittlerweile immer mehr auch auf die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter eingehen, bekräftigt die diesjährige Focus-Studie. Trotzdem gelten die Arbeitsstrukturen in Konzernen immer noch als sehr starr und hierarchisch. Positiv daran findet Christopher Fuhrhop von Restube, dass „man seinen Weg ziemlich genau kennt“. Aber Andreas Zimmer* bemängelt, „bei einem Konzern kann der einzelne Mitarbeiter letztendlich nur wenig bis gar nichts entscheiden“. Denn auch wenn große Unternehmen zunehmend auf ihre Mitarbeiter eingehen, bleiben gewisse Strukturen und Eigenschaften einfach aufgrund ihrer Größe und weitreichenden Tätigkeit immer vorhanden. Dass die Arbeit im Konzern jedoch auch sehr zufriedenstellend sein kann, fasst Andreas Zimmer folgendermaßen zusammen: „Insgesamt kann man durch die Sicherheit ‚ruhiger schlafen‘ und sich trotzdem verwirklichen, weil der Konzern groß ist und einem viele Möglichkeiten bietet.“

*Name von der Redaktion geändert

Der (lange) Weg in die Selbstständigkeit
Manche wagen es früher, manche später, aber eigentlich alle sind mit den gleichen zentralen Herausforderungen konfrontiert, wie auch Jan Höhn mit yuulli sie erfahren hat: „Es ist ein schwieriger Schritt von ´könnte man machen‘ hin zur Umsetzung inklusive eines Businessplans.“ Christopher Fuhrhop betont aber auch: „Wenn man an eine Sache glaubt, braucht man sich nicht zu verstecken.“ Denn auch wenn die Selbstständigkeit auf den ersten Blick mit viel Risiko behaftet ist und ein Wagnis zu sein scheint, bringt sie auch viele Vorteile mit sich. Die interviewten Unternehmer schätzen vor allem die freie Zeiteinteilung. Auch die positive Bewertung des klassischen Bilds vom eigenen Chef trifft zu, was zum Einen bedeutet, alles machen und verantworten zu müssen, zum Anderen aber auch, die Entscheidungen selbst treffen zu können. Bernd Goller von Splashing-A resümiert: „Man darf sich für keine Aufgabe zu schade sein.“

Die entscheidenden Pros und Contras kurz und knapp und die Interviews

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Selbstständigkeit – auch ein Thema für Geistes- und Sozialwissenschaftler?

Um es vorwegzunehmen: Natürlich! Gerade in den klassischen Branchen wie Kul-turmanagement, PR-Arbeit, Übersetzung etc. gibt es viele Geistes- und Sozialwissen-schaftler, die sich selbstständig gemacht haben. Wichtig sind jedoch auch hier das Know-How und die Vorbereitung. Das betont Maria Dehmer, die nach ihrem Studium der Geschichte und Slavistik Erfahrungen im Selbstständig Sein sammelte, bevor sie zur Kommunikationsmanagerin in der Energiewirtschaft wurde:

„Ein Gang in die Selbständigkeit sollte wohl überlegt, genau geplant und gewollt sein. Denn als Selbstständiger ist man nicht nur inhaltlich für seine Arbeit verantwortlich, sondern muss sich auch um die komplette Infrastruktur kümmern – Versicherungen, Büro, Buchhaltung und und und. Deshalb steht am Anfang die Frage: Bin ich der Typ dafür? Probieren geht natürlich über studieren, aber ich würde durchaus empfehlen: erstmal als Angestellte(r) Berufserfahrung sammeln, Netzwerke bilden und herausfinden, welche Themen und Aufgaben einem liegen und wofür man brennt. Denn nur ein gutes Konzept, das idealerweise eine Marktlücke schließt bzw. ein Feld mit hoher Nachfrage füllt, hat Chancen sich zu bewähren. Wenn man noch keinen Namen und keine Netzwerke hat, kann die Durststrecke nämlich durchaus lang sein, bis ein Konzept mal trägt. Je mehr im Handwerkskoffer vor dem Start in die Selbstständigkeit drin ist, desto schneller fasst man Fuß.“

Dass Geisteswissenschaftler auch ungewöhnliche Wege beschreiten, zeigt Jan Höhn von yuulii. Der Diplom-Soziologe hat sich nach Zwischenstationen in Unternehmen einen Traum erfüllt und mit einer Homepage für Hochzeitspaare, die sich Kilometer für ihre Hochzeitsreise schenken lassen wollen, selbstständig gemacht. Ein schwieriger Schritt war die Kündigung beim Unternehmen, da die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes mit den damit verbundenen Vorteilen meist ein starkes Argument gegen die Selbstständigkeit ist. Diesen Aspekt haben alle Unternehmer angeführt, wie auch der Chef von Restube, der festgestellt hat: „Die finanziellen Hürden sind tatsächlich der Kern“. Ein Trostpflaster – in Hinblick auf sein sozialwissenschaftliches Studium hat Jan Höhn im Vergleich zu anderen Gründern aber keine besonderen Nachteile gespürt: „Es fehlt einem so manches BWL Wissen. Das kann man sich aber recht schnell anlesen. Darüber hinaus gab es keine bestimmten Herausforderungen, die es bei einem anderen Studium nicht gegeben hätte. Es ist wichtig nach außen kompetent zu wirken, dann fragt auch keiner nach den studentischen Hintergründen.“

Der Weisheit letzter Schluss
Im Endeffekt ist es wie immer im Leben: Man kennt die Pros, weiß um die Contras – und irgendwann muss man sich schlicht und einfach entscheiden. Der Erfolg einer Idee hängt nach den Erfahrungen der interviewten Unternehmer stark von der jeweiligen Persönlichkeit und der entsprechenden Vorbereitung in Hinblick auf Know-How, finan-zielle Mittel und dem Erkennen einer Marktlücke ab. Wer sich außerdem im Vorfeld mit den Vor- und Nachteilen der Selbstständigkeit beschäftigt hat, weiß zumindest, was auf einen zukommt und kann bestens gerüstet das Wagnis der Selbstständigkeit eingehen – und um sowohl das Klischee als auch Bernd Goller von Splashing-A zu zitieren: Selbstständigkeit besteht nun einmal aus „Selbst und ständig“.

Ein Beitrag von Laura Ackermann, Katharina Brömel und Matthias Burkert

Die Homepages unserer Interviewpartner:
http://www.splashing-a.de/index.html
https://yuulii.com/
http://restube.eu/wp/

Weiterführende Hinweise und Links zum Thema:
• E-Book: „Selbstständigkeit wagen“ von Haufe
http://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/tid-30114/grosse-focus-studie-deutschlands-beliebteste-arbeitgeber-diese-firmen-sind-die-besten_aid_940347.html
http://www.zeit.de/campus/2011/02/berufsbild-geisteswissenschaften
http://www.zeit.de/campus/2013/s1/geisteswissenschaften-berufseinstieg/

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